01 Apr 2020
von Erhard Hopf
Was steckt hinter dem EuGH Urteil zur Arbeitszeiterfassung
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Was steckt hinter dem EuGH Urteil zur Arbeitszeiterfassung?

Europa wächst zusammen und viele rechtliche Themen wurden in Brüssel entschieden. Am 14. Mai 2019 hat der Europäische Gerichtshof eine Grundsatzentscheidung zur Arbeitszeiterfassung getroffen, zur Führung von Zeitnachweisen in den Unternehmen. Die Mitgliedstaaten der EU haben nun die Aufgabe, Gesetze zu entwerfen, welche die Arbeitgeber verpflichten, die Arbeitszeiten Ihrer Mitarbeiter zu dokumentieren. Mit dem Richterspruch des EuGHs ist die Verantwortung, eine Lösung zur Arbeitszeiterfassung anzubieten, an die Unternehmen übertragen worden. Viele Unternehmen und Betriebe sind jetzt angehalten, eine Arbeitszeiterfassung bzw. ein Personalzeitwirtschaftssystem einzuführen.

Wie sieht es nach deutschem Recht aus?

Das bisherige deutsche Recht verpflichtet nach § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG die Arbeitgeber, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen, also zum Beispiel Überstunden und Mehrarbeit. Dies gilt im Übrigen auch bei Vertrauensarbeitszeit. Ausnahme ist nach § 17 Mindestlohngesetz das Erfassen von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit von Mitarbeitern in bestimmten Wirtschaftsbereichen oder geringfügig Beschäftigte. Alle Nachweise sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren. Setzt der Arbeitgeber zur Zeiterfassung kein elektronisches System ein, sondern vertraut auf die Selbstständigkeit der Arbeitnehmer, ist er verpflichtet durch wirksame Kontrollen zu gewährleisten, dass die Arbeitszeiten korrekt aufgeschrieben wurden und nachgehalten werden. Bereits hier besteht in vielen Unternehmen Handlungsbedarf.

Arbeitnehmer-Rechte müssen gewährleistet sein

Laut EuGH kann „Ohne ein System, mit dem die tägliche Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers gemessen werden kann, weder die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und ihre zeitliche Verteilung noch die Zahl der Überstunden objektiv und verlässlich ermittelt werden“. Dann werde es für die Arbeitnehmer „äußerst schwierig oder gar praktisch unmöglich, ihre Rechte durchzusetzen.“ Die Arbeitnehmer seien die schwächere Partei des Arbeitsvertrags, deshalb müsse verhindert werden, dass der Arbeitgeber die Rechte beschränke.

Nur wenn die Arbeitszeiten erfasst werden, kann der Anspruch der Arbeitnehmer auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten, eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit eingelöst werden, und der Umfang der Mehrarbeit transparent werden, so die Luxemburger Richter. Es handele sich um ein Grundrecht, das in der EU-Charta verbürgt und in der EU-Arbeitszeitrichtlinie präzisiert sei.

Überstunden und Grenzen der Arbeitszeit: Unternehmen müssen Systeme zur Arbeitszeiterfassung einführen

Mit dem Urteil wurde richterlich vorgegeben, dass potenziell alle europäischen Unternehmen zukünftig einen Zeitnachweis über die geleisteten Arbeitszeiten für ihre Mitarbeiter führen müssen. Der EuGH hat mit dem Urteil eindeutige Regeln festgelegt, dass zukünftig die Arbeitszeiten in den Unternehmen zu erfassen und zu dokumentieren sind. Ab der 0. Stunde muss die Zeiterfassung künftig erfolgen.

Wie und mit welchen Systemen die Arbeitszeiten erfasst werden müssen, wird im Urteil nicht näher ausgeführt, sondern in die Verantwortung der Unternehmen gelegt.

Erfassen Sie heute schon die Arbeitszeiten Ihrer Mitarbeiter?

Somit hat nun jedes Unternehmen die Aufgabe eine Personalzeitwirtschaft einzuführen, doch gleichzeitig die Freiheit bekommen sich eine passende und auf das Unternehmen zugeschnittene Lösung einzusetzen. Größere Unternehmen, insbesondre in Branchen mit Tarifverträgen, werden in der Regel bereits Systeme zur Zeiterfassung und Personalzeitwirtschaft im Einsatz haben. Bei einfach abzubildenden Geschäftsprozessen und wenigen Mitarbeitern in den Unternehmen (z. B. Anwaltspraxis mit drei Angestellten), kann schon eine einfache Lösung zum Erfassen der Arbeitszeiten ausreichen. Mögliche Lösungen sind:

  • Erfassung der Zeiten per Excel
  • Erfassung in einem Personalzeitwirtschaftssystem
  • Erfassung mittels fest installierten Zeiterfassungsterminals
  • Mobile Erfassung, z.B. mit einer Handy-App

Herausforderung für Arbeitgeber

Mit dem Urteil nimmt der EuGH Einfluss auf Geschäftsprozesse in den Unternehmen, die sich auf die künftig geltenden gesetzlichen Vorgaben einstellen müssen. Die Arbeitswelt, besonders im Büro, hat sich im Wandel der Zeit und mit neuen Herausforderungen der Unternehmen in den letzten Jahren weitgehend geändert. Die Unternehmen und Arbeitnehmer haben sich den Herausforderungen gestellt und sich auf die neuen Arbeitssituationen eingelassen. So sind Arbeitszeiten längst nicht mehr so straff wie noch vor Jahrzehnten organisiert. Bei Beachtung der gesetzlichen Vorgaben und einzuhaltenden Arbeitszeiten kann z. B. Beginn und Ende der vorgegebenen Arbeitszeit sehr unterschiedlich für die einzelnen Mitarbeiter oder Mitarbeitergruppen auf den Tag verteilt werden. Mit Arbeitsverträgen für Mitarbeiter, die ihre Arbeitszeiten im Homeoffice absolvieren können, ist eine neue Form von Vertrauensarbeit geschaffen worden. Mitarbeiter wie z. B. Monteure sind heute weltweit in unterschiedlichen Zeitzonen unterwegs, was wiederum die Unternehmen zur Erfassung der Arbeitszeiten vor große Herausforderungen stellt. Die Unternehmen sind heute daran interessiert ihren Mitarbeitern ein möglichst freizügiges Arbeitsumfeld in Bezug auf die absolvierende Arbeitszeit anzubieten, um die Arbeitsplätze möglichst attraktiv zu gestalten.

Elektronische Zeiterfassung bieten viele Vorteile

Bei der eigentlichen Erfassung sind elektronische Zeiterfassungssysteme klar vorteilhaft: werden z.B. Terminals oder Apps eingesetzt, ist Zeit in wenigen Sekunden erfasst. Die Systeme dokumentieren allerdings nicht nur Beginn und Ende der vorgegebenen Arbeitszeit, sondern auch die Pausen- und Ruhezeiten. Personalzeitwirtschaftssysteme führen darüber hinaus langfristige Arbeitszeitkonten. Flexible Arbeitszeitmodelle, wie Teilzeit und flexible Schichten, lassen sich so übersichtlich verwalten, was den privaten und familiären Interessen der Mitarbeiter Rechnung trägt.

Dazu kommt: Wenn Arbeitnehmer im System selbständig einen Überblick über ihr Urlaubsbudget, ihr Arbeitszeitkonten und Überstunden erhalten, fragen sie seltener in der Personalabteilung nach. Auch für die kurz- und langfristige Personalplanung ist eine Zeitwirtschaft von Vorteil:  Mit einer verlässlichen Datenbasis zu Arbeitszeiten jedes Kollegen können Arbeitgeber den Aufwand für Tätigkeiten oder Projekte fundierter abschätzen und dadurch eine präzisere Planung erstellen. Auch zur vollautomatischen Lohn- und Gehaltsabrechnung trägt ein Zeitwirtschaftssystem entscheidend bei. Die Daten liegen zentral und Aufbewahrungsfristen werden gewährleistet. Der Personalbuchhaltung spart das System also Aufwand, trägt zur rechtlichen Sicherheit bei, und lässt mehr Zeit für die eigentliche Arbeit.

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